Interview: Schreiben ist vollendete Einsamkeit

09 Okt Interview: Schreiben ist vollendete Einsamkeit

RIG hat ein Buch geschrieben, beziehungsweise, wie Haus-und-Hof -Chronistin Diana Busch lernen musste, nicht RIG sondern Dirk. Im ausführlichen Interview erzählt der JANUS-Sänger, wieso er plötzlich unter die Autoren gegangen ist, was „Abglanz“ mit JANUS zu tun hat und wie sich das Schreiben vom Singen unterscheidet.

RIG, wie geht es dir?

RIG: Mir geht es blendend, danke der Nachfrage.

Jetzt ist es amtlich. Du hast tatsächlich ein Buch geschrieben. War dir die Arbeit als Sänger nicht erfüllend genug?

RIG: Das ist eine Fangfrage!

Ich sage nur: neues Album!

RIG: Da kann ich dich beruhigen. Das eine hat mit dem anderen nicht wirklich etwas zu tun. Das Buch habe ich ja alleine erdacht und geschrieben. Die Musik machen Toby und ich gemeinsam, zusammen mit weiteren, sehr talentierten Musikern. Da gibt es aufgrund der Terminpläne aller Beteiligten immer wieder Leerlauf.  Und den habe ich ab und an zum Schreiben genutzt.

Das Buch heißt „Abglanz“. Welcher Glanz verblasst denn da?

RIG: Das ist eine sehr gute Frage, und man könnte sie auf verschiedene Arten beantworten, denn der Titel des Bandes ist mehrdeutig zu verstehen, wie so oft bei JANUS. Wobei JANUS hier streng genommen der falsche Terminus ist, denn das Buch hat nicht RIG geschrieben, sondern Dirk.

Und wo liegt da der Unterschied? Ich fand, dass sich die Gedichte oft auch als JANUS Text gut gemacht hätten. Manche Zeilen hab ich sogar wiedererkennen können.

RIG: Ja, es sind einige JANUS Zitate in „Abglanz“ versteckt. Wobei eigentlich anders herum ein Schuh draus wird: einige JANUS-Texte haben aus „Abglanz“ zitiert. Denn der Rohbau des Zyklus steht bereits seit Urzeiten und diente als Inspiration für so manche Zeile. Der Unterschied von „Abglanz“ zu JANUS und von RIG zu Dirk versteckt sich im Kontext. JANUS wollen vor allem Geschichten erzählen. Die können auch autobiografische Elemente enthalten, oft in stark veränderter Form. „Abglanz“ funktioniert andersherum. Es ist in seinem Wesen ein autobiografischer Text. Das ist eine komplett andere Herangehensweise und war eine ziemliche Herausforderung für mich. Ich musste der Versuchung widerstehen, im Wissen um die spätere Veröffentlichung bestimmte Passagen in ihrer Bedeutung und Direktheit nicht unbewusst zu verwässern, zu chiffrieren oder ganz herauszunehmen. Das war eine interessante Erfahrung und sehr lehrreich, was den Prozess des Schreibens und die eigene Selbstwahrnehmung angeht.

 Wie war es denn generell für dich keine Liedtexte mehr zu schreiben sondern Gedichte?

RIG: Man sollte glauben, es wäre kein so großer Unterschied, aber das stimmt nicht. Bei einem Liedtext, selbst wenn er vor der Musik geschrieben wird, hat man immer eine Referenzgröße; nämlich das Lied. Der Text ist immer in Bezug auf etwas zu verstehen. Bei „Abglanz“ stehen die Gedichte für sich alleine, kein Bezug mehr auf ein System außerhalb. Man könnte das jetzt als befreiend empfinden, aber als jahrelanger Liedermacher war es eher befremdlich. Für mich ist Schreiben vollendete Einsamkeit. Man ist allein mit seinem Text. Das habe ich versucht aufzubrechen und Gedichte mit Freunden geteilt, ihnen laut vorgelesen, um zu hören wie sie klingen und welche Resonanz sie in den anderen Personen erzeugen. Ich habe mich oft auch dabei ertappt, wie ich einzelne Wörter und Zeilen der Gedichte umschrieb, weil ich sie mir selbst anders laut vorgelesen hatte als zuvor und deshalb etwas nicht mehr passte. Statt also meinen Vortrag anzupassen, passte ich instinktiv den Text an, was eigentlich quatsch war; verständlicher Quatsch, wenn man bedenkt, dass sich hier ein Sänger als Autor verkleidet. Ich habe insgesamt wirklich sehr viel Zeit und Mühe in „Abglanz“ investiert. Alle hundert Gedichte beziehen sich auf eine bestimmte Zeitperiode und bestimmte Personen, Orte und Handlungen. Er wurde zu echter Detektivarbeit. Ich musste am Ende einen großen Schaltplan erstellen, um nicht den Überblick zu verlieren und alle Puzzlesteine in der richtigen Reihenfolge anzuordnen.

Ich finde, dass ist dir sehr gut gelungen. Ich habe „Abglanz“ mehrfach gelesen und konnte immer wieder neue Facetten und Zusammenhänge erschließen. Insofern ist es ein ziemlich JANUS-typisches Werk. Komplex und dunkel.

RIG: Danke, mit der Einordnung kann ich gut leben. Toby hat es nach der Lektüre als eine Art autobiografisches „Konzeptalbum ohne Musik“ beschrieben, das fand ich auch nicht falsch. Eine Vielzahl von Themen und Personen sind miteinander verwoben zu einer größeren Gesamterzählung, die zerstückelt in hundert Puzzleteile dekonstruiert und wieder neu zusammengesetzt wurde.

FOTOS: OLIVER HAAS

FOTOS: OLIVER HAAS

Jetzt sind wir vorhin aber vom Thema abgekommen. Du wolltest erklären, wovon „Abglanz“ eigentlich handelt. 

RIG: Ja? Wollte ich das? Ich dachte, du hättest mich gefragt und ich wäre dem einigermaßen geschickt ausgewichen.

So geschickt war es dann doch nicht, sonst würde ich nicht drauf zurückkommen. 

RIG: Wohl wahr. Aber du weißt ja, dass ich ich eine Aversion dagegen habe, die eigene Kunst zu erklären. In dem Augenblick, in dem ich etwas veröffentliche, sei es nun ein Lied oder ein Gedicht, lasse ich es los und sehe dabei zu, wie die Menschen sich darin spiegeln und glauben, Dinge oder sich selbst in den Worten wiederzuerkennen. Manches davon ist so von mir beabsichtigt gewesen, anders wiederum nicht. Aber welchen Sinn hätte es, da eine Linie zu ziehen und eine offizielle Erklärung abzugeben. Das entspricht nicht meinem Verständnis von Kunst. Also werde ich auch nicht „Abglanz“ erklären. Aber wer es mit offenen Augen und etwas Verständnis erforscht, wird nicht nur sich selbst darin spiegeln können, sondern auch JANUS besser verstehen und die Hintergründe, die zu Alben wie „Vater“, „Schlafende Hunde“ oder „Auferstehung“ geführt haben später.

Das auf jeden Fall. Ich habe mir auch noch notiert, dass du in einem Gedicht sagst, die Erinnerung wäre „eine Travestie, die dich ersetzt“. An anderer Stelle schreibst du, du hättest dich mit deiner Erinnerung überworfen, sie wäre „eine Lügnerin, eine Hochstaplerin“. Bezogen auf den ganzen Band, der ja voller Erinnerungen und Betrachtungen ist, eine interessante Perspektive.

RIG: Oh ja, auf jeden Fall! Man stellt sich Erinnerung ja immer als festen Aggregatzustand vor,  aber wäre sie ein Stoff wäre sie flüssig, vermutlich sogar eher gasförmig. Sie verändert und verflüchtigt sich, oft ohne dass man es merkt. Dieser Umstand spielt auch bei „Abglanz“ eine ganz große Rolle. Erinnerung ist oft eine enttäuschende Erfahrung.

Man merkt, dass du mit vollem Herzen dabei bist und dir „Abglanz“ sehr viel bedeutet. Wird sich das auch bei der Gestaltung des Buches auswirken?

RIG: Davon kannst du ausgehen. Wer weiß, ob ich noch einmal die Gelegenheit dazu habe, ein Buch fertigzustellen.

Ich hoffe es. Zumindest „Labyrinthe“, da hänge ich ja auch mit drinnen.

RIG: Keine Sorge. Das steht auch noch auf der Liste. Kommt Zeit, kommt Labyrinth. Ich bezog mich jetzt eher auf ganz neue, noch nicht begonnene Bücher. Die Musik spielt schließlich nach wie vor die Hauptrolle und da gibt es gerade einiges zu tun. Aus diesem Grund, möchte ich in jedem Fall sicherstellen, dass „Abglanz“ den Auftritt bekommt, den es verdient hat. Ich tauche also ein in die Welt der Druckerzeugnisse, Kapitalbänder und Kaschierungen und versuche etwas besonders zu zaubern. Lass dich überraschen.

Das werde ich! Kannst du denn schon verraten, wann das Buch erscheinen wird oder wann man es zumindest bestellen kann?

RIG: Beides ist noch nicht final entschieden. sobald wir es wissen, steht er hier im Knochenhaus und geht per Newsletter raus. Eine Veröffentlichung ist aber noch zum Jahreswechsel hingeplant.

Das ist sogar schneller, als ich vermutet hätte.

RIG: Du siehst, wir sind immer für Überraschungen gut.

Heißt das, da kommt noch mehr?

RIG: Kein Kommentar.

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